Liederedda - Ägirs Trinkgelage - Oegisdrecka

Edda Liederbuch

Ägirs Trinkgelage - Oegisdrecka

Ägir, der mit anderm Namen Gymir hieß, bereitete den Asen ein Gastmahl, nachdem er den großen Kessel erlangt hatte, wie eben gesagt ist. Zu diesem Gastmahl kam Odin und Frigg, sein Weib. Thor kam nicht, denn er war auf der Ostfahrt. Sif war zugegen, Thors Weib, desgleichen Bragi und Idun sein Gemahl. Auch Tyr war da, der nur eine Hand hatte, denn der Fenriswolf hatte ihm die andre abgebissen, als er gebunden wurde. Da war auch Niörd und Skadi, sein Weib, Freyr und Freyja, und Widar, Odins Sohn. Auch Loki war da und Freyrs Diener Byggwir und Beyla. Da waren noch viele Asen und Alfen.
Ägir hatte zwei Diener, Fimafeng und Eldir. Leuchtendes Gold diente statt brennenden Lichtes. Das Ael trug sich selber auf. Der Ort hatte sehr heiligen Frieden. Alle Gäste rühmten, wie gut Ägirs Leute sie bedienten. Loki, der das nicht hören mochte, erschlug den Fimafeng. Da schüttelten die Asen ihre Schilde und rannten wider Loki und verfolgten ihn in den Wald und fuhren dann zu dem Mahl. Loki kam wieder und sprach zu Eldir, den er vor dem Saale fand:

1 Sage mir, Eldir, eh du mit einem
Fuße vorwärts schreitest,
Was für Tischgespräche tauschen hier innen
Der Sieggötter Söhne?

Eldir:
2 Von Waffen reden und ruhmvollen Kämpfen
Der Sieggötter Söhne.
Asen und Alfen, die hier innen sind,
Keiner weiß von dir ein gutes Wort.

Loki:
3 Ein will ich treten in Ägirs Hallen,
Selber dies Gelag zu sehn.
Schimpf und Schande schaff ich den Asen
Und mische Gift in ihren Met.

Eldir:
4 Wisse, wenn du eintrittst in Ägirs Halle,
Selber dies Gelag zu sehn,
Und die guten Götter übergießest mit Schmach,
Gib acht, sie trocknen sie ab an dir.

Loki:
5 Wisse das, Eldir, wenn miteinander wir
In scharfen Worten streiten,
Üppiger werd ich in Antworten sein,
Was du auch zu reden weißt.

Da ging Loki in die Halle. Jene aber, die darinnen waren, als sie ihn eingetreten sahen, schwiegen alle still.

Loki:
6 Durstig komm ich in diese Halle
Loptr den langen Weg
Die Asen zu bitten, mir einen Trunk
Zu schenken ihres süßen Mets.

7 Warum schweigt ihr still, verstockte Götter,
Und erwidert nicht ein Wort?
Sitz und Stelle sucht mir bei dem Mahl,
Oder heißt mich hinnen weichen.

Bragi:
8 Sitz und Stelle suchen dir bei dem Mahl
Die Asen nun und nimmer.
Die Asen wissen wohl wem sie sollen
Anteil gönnen am Gelag.

Loki:
9 Gedenkt dir, Odin, wie in Urzeiten wir
Das Blut mischten beide?
Du gelobtest, nimmer dich zu laben mit Trank,
Würd er uns beiden nicht gebracht.

Odin:
10 Steh denn auf, Widar, dem Vater des Wolfs
Sitz zu schaffen beim Mahl,
Daß länger Loki uns nicht lästere
Hier in Ägirs Halle.

Da stand Widar auf und schenkte dem Loki. Als er aber getrunken hatte, sprach er zu den Asen:

11 Heil euch. Asen, Heil euch Asinnen,
Euch hochheiligen Göttern all,
Außer dem Asen allein, der da sitzt
Auf Bragis Bank.

Bragi:
12 Schwert und Schecken aus meinem Schätze zahl ich
Und einen Baug (Ring) zur Buße,
Daß du den Asen nicht Ärgernis gebest:
Mache dir nicht gram die Götter.

Loki:
13 Roß und Ringe, nicht allzureich doch
Weiß ich dich, Bragi, der beiden!
Von Asen und Alfen, die hier innen sind,
Scheut keiner so den Streit,
Flieht Geschosse keiner feiger.

Bragi:
11 Ich weiß doch, war ich draußen,
wie ich drinnen bin
Hier in Ägirs Halle,
Dein Haupt hätt ich in meiner Hand schon;
Also lohnt ich dir der Lüge.

Loki:
15 Sitzend bist du schnell, doch schwerlich leistest du's,
Bragi, Bänkehüter!
Zum Zweikampf vor, wenn du zornig bist:
Der Tapfre sieht nicht um und säumt.

Idun:
16 Ich bitte dich, Bragi, bei deiner Gebornen
Und aller Wünschelsöhne Wohl,
Sprich zu Loki nicht mit lästernden Worten
Hier in Ägirs Halle.

Loki:
17 Schweig, Idun! Von allen Frauen
Mein ich dich die Männertollste:
Du legtest die Arme, die leuchtenden, gleich
Um den Mörder eines Bruders.

Idun:
18 Zu Loki sprech ich nicht mit lästernden Worten
Hier in Ägirs Halle;
Den Bragi sänft ich, den bierberauschten,
Daß er im Zorn den Zweikampf meide.

Gefion:
19 Ihr Asen beide, was ist's, daß ihr euch
Mit scharfen Worten streitet?
Loptr träumt sich nicht, daß er betrogen ist,
Ihn hier die Himmlischen hassen.

Loki:
20 Schweig du, Gefion! sonst vergeß ich's nicht
Wie dich zur Lust verlockte
Jener weiße Knabe, der dir das Kleinod gab,
Als du den Schenkel um ihn schlangst.

Odin:
21 Irr bist du, Loki, und aberwitzig,
Wenn du Gefion gram dir machst:
Aller Lebenden Lose weiß sie
Ebenwohl als ich.

Loki:
22 Schweig nur, Odin, ungerecht zwischen
Den Sterblichen teilst du den Streit:
Oftmals gabst du, dem du nicht geben solltest,
Dem schlechtem Manne den Sieg.

Odin:
23 Weißt du, daß ich gab, dem ich nicht geben sollte,
Dem schlechtem Manne den Sieg,
Unter der Erde acht Winter warst du
Milchende Kuh und Mutter
[Denn du gebarest da:
Das dünkt mich eines Argen Art].

Loki:
24 Du schlichest, sagt man, in Samsö umher
Von Haus zu Haus als Wala.
Vermummter Zauberer trogst du das Menschenvolk:
Das dünkt mich eines Argen Art.

Frigg:
25 Euer Geschicke solltet ihr nie
Erwähnen vor der Welt,
Was ihr Asen beide in Urzeiten triebet:
Die frühsten Taten bergt dem Volk.

Loki:
26 Schweig du, Frigg! Fiörgyns Tochter bist du
Und den Männern allzumild,
Die Wili und We als Widrirs Gemahlin
Beide bargst in deinem Schoß.

Frigg:
27 Wisse, hätt ich hier in den Hallen Ägirs
Einen Sohn wie Baldur schnell,
Nicht kämst du hinaus von den Asensöhnen,
Du hättest schon zu fechten gefunden.

Loki:
28 Und willst du, Frigg, daß ich ferner gedenke
Meiner Meintaten,
So bin ich schuld, daß du nicht mehr schauen wirst
Baldur reiten zum Rat der Götter.

Freyja:
29 Irr bist du, Loki, daß du selber anführst
Die schnöden Schandtaten.
Wohl weiß Frigg alles was sich begibt,
Ob sie schon es nicht sagt.

Loki:
30 Schweig du, Freyja, dich vollends kenn ich;
Keines Makels mangelst du;
Der Asen und Alfen, die hier inne sind,
Bist du jedes Buhlerin.

Freyja :
31 Deine Zunge frevelt; doch fürcht ich, daß sie dir
Wenig Gutes gellt.
Abhold sind dir die Asen und die Asinnen,
Unfröhlich fährst du nach Haus.

Loki:
32 Schweig du, Freyja, Gift führst du mit dir,
Bist alles Unheils voll.
Vor den Göttern umarmtest du den eigenen Bruder:
So böser Wind entfuhr dir, Freyja!

Niördr:
33 Die Schöngeschmückten, das schadet nicht,
Wählen Männer wie sie mögen;
Des Verworfnen Weilen bei den Asen wundert nur,
Der Kinder konnte gebären.

Loki:
34 Schweig du, Niörd, von Osten gesendet
Als Geisel bist du den Göttern.
Hymirs Töchter nahmen dich da zum Nachtgeschirre
Und machten dir in den Mund.

Niördr:
35 Des Schadens tröstet mich, seit ich gesendet ward
Fernher als Geisel den Göttern,
Daß mir erwuchs der Sohn, wider den niemand ist,
Der für den Ersten der Asen gilt.

Loki:
36 Laß endlich, Niörd, den Übermut,
Ich hab es länger nicht hehl:
Mit der eignen Schwester den Sohn erzeugtest du,
Der eben so arg ist wie du.

Tyr:
37 Freyr ist der beste von allen, die Bifröst
Trägt zu der hohen Halle:
Keine Maid betrübt er, keines Mannes Weib,
Einen jeden nimmt er aus Nöten.

Loki:
38 Schweig du, Tyr! Du taugst zum Kampfe nicht
Zu gleicher Zeit mit zweien.
Deine rechte Hand ist dir geraubt,
Fenris fraß sie, der Wolf.

Tyr:
39 Der Hand muß ich darben; so darbst du Fenris.
Eins ist schlimm wie das andre;
Auch der Wolf ist freudenlos: gefesselt erwartet er
Der Asen Untergang.

Loki:
40 Schweig du, Tyr! Deinem Weibe geschah's,
Daß sie von mir ein Kind bekam.
Nicht Pfenningsbuße empfingst du für die Schmach:
Habe dir das, du Hahnrei!

Freyr:
41 Gefesselt liegt Fenris vor des Flusses Ursprung
Bis die Götter vergehen.
So soll auch dir geschehn, wenn du nicht schweigen wirst
Endlich, Unheilschmied.

Loki:
42 Mit Gold erkauftest du Gymirs Tochter
Und gabst dem Skirnir dein Schwert.
Wenn aber Muspels Söhne durch Myrkwid reiten,
Womit willst du streiten. Unselger?

43 War ich so edeln Stamms als Ingunar Freyr,
Und hätte so erhabnen Sitz,
Morscher als Mark malmt ich dich, freche Krähe,
Und lähmte dir alle Gelenke.

Loki:
44 Was ist Winziges dort, das ich wedeln sehe
Nach Speise schnappend?
Dem Freyr in die Ohren bläst es immerdar,
Und müht sich mit Mägdearbeit.

Byggwir:
45 Byggwir bin ich, bieder rühmen mich
Die Asen all und Menschen.
Behende helf ich hier, daß Hropts Freunde trinken
Ael in Ägirs Halle.

Loki:
46 Schweig du, Byggwir, übel verstehst du
Der Männer Mahl zu ordnen.
Unterm Bettstroh verbargst du dich feige,
Wenn es zum Kampfe kam.

Heimdal:
47 Trunken bist du, Loki! vertrankst den Verstand:
Laß endlich ab, Loki,
Denn im Rausche reden die Leute viel
Und wissen nicht was.

Loki:
48 Schweig du, Heimdal! In der Schöpfung Beginn
Ward dir ein leidig Los.
Mit feuchtem Rücken fängst du den Tau auf
Und wachst der Götter Wärter!

Skadi:
49 Lustig bist du, Loki; doch lange magst du nicht
Spielen mit losem Schweif,
Da auf die scharfe Kante des kalten Vetters bald
Mit Därmen dich die Götter binden.

Loki:
50 Wenn auf die scharfe Kante des reifkalten Vetters
Sie mich mit Därmen binden bald,
So war ich der erste und auch der eifrigste,
Als es Thiassi zu töten galt.

Skadi:
51 Warst du der erste und auch der eifrigste,
Als es Thiassi zu töten galt,
So soll aus meinem Hof und Heiligtum
Immer kalter Rat dir kommen.

Loki:
52 Gelinder sprachst du zu Laufeyjas Sohn,
Als du mich auf dein Lager ludst.
Dessen gedenk ich nun, da es genauer gilt
Unsre Meintaten zu melden.

Da trat Sif vor und schenkte dem Loki Met in den Eiskelch und sprach:

53 Heil dir nun, Loki, den Eiskelch lang ich dir
Firnen Metes voll,
Daß du mich eine doch von den Asenkindern
Ungelästert lassest.

Jener nahm den Kelch, trank und sprach:

54 Du einzig bliebest verschont, wärest du immer keusch
Und dem Gatten ergeben gewesen.
Einen weiß ich und weiß ihn gewiß,
Der auch den Hlorridi zum Hahnrei machte.
[Und das war der listige Loki.]

Beyla:
55 Alle Felsen beben, von der Bergfahrt kehrt
Hlorridi heim.
Zum Schweigen bringt er den, der hier mit Schmach belädt
Die Götter all und Gäste.

Loki:
56 Schweig du, Beyla! du bist Byggwirs Weib
Und aller Untat voll.
Kein ärger Ungeheuer ist unter den Asenkindern,
Ganz bist du mit Schmutz besudelt.

Da kam Thor an und sprach:

57 Schweig, unreiner Wicht, sonst soll mein Hammer
Miölnir den Mund dir schließen.
Vom Halse hau ich dir die Schulterhügel,
Daß dich das Leben läßt.

Loki:
58 Der Erde Sohn ist eingetreten:
Nun kannst du knirschen, Thor;
Doch wenig wagst du, wenn du den Wolf bestehen sollst,
Der den Siegvater schlingt.

Thor:
59 Schweig, unreiner Wicht, sonst soll mein Hammer
Miölnir den Mund dir schließen.
Oder auf gen Osten werf ich dich,
Daß kein Mann dich mehr erschaut.

Loki:
60 Deine Ostfahrten würden unbesprochen
Allzeit besser bleiben,
Seit im Däumling du, Kämpe, des Handschuhs kauertest
Und selbst nicht meintest Thor zu sein.

Thor:
61 Schweig, unreiner Wicht, sonst soll mein Hammer
Miölnir den Mund dir schließen.
Mit Hrungnirs Töter trifft diese Hand dich
Und bricht dir alle Gebeine.

Loki:
62 Noch lange Jahre zu leben denk ich
Trotz deiner Hammerhiebe.
Hart schienen dir Skrymirs Knoten;
Du mußtest der Mahlzeit darben,
Ob du vor Heißhunger vergingst.

Thor:
63 Schweig, unreiner Wicht, sonst soll mein Hammer
Miölnir den Mund dir schließen.
Hrungnirs Töter schickt dich zu Hel hinab
Hinter der Toten Gittertor.

Loki:
64 Ich sang vor Asen, sang vor Asensöhnen
Was ich auf dem Herzen hatte.
Nun wend ich mich weg: dir weich ich allein,
Denn ich zweifle nicht, daß du zuschlägst.

65 Ein Mahl gabst du, Ägir; nicht mehr hinfort
Wirst du die Götter bewirten.
All dein Eigentum, das hier innen ist,
Frißt die Flamme
Und raschelt dir über den Rücken.

Darauf nahm Loki die Gestalt eines Lachses an und entsprang in den Wasserfall Franang. Da fingen ihn die Asen und banden ihn mit den Gedärmen seines Sohnes Nari. Sein anderer Sohn Narfi aber wurde in einen Wolf verwandelt. Skadi nahm eine Giftschlange und hing sie auf über Lokis Antlitz. Der Schlange entträufelte Gift. Sigyn, Lokis Weib, setzte sich neben ihn und hielt eine Schale unter die Gifttropfen. Wenn aber die Schale voll war, trug sie das Gift hinweg: unterdessen träufelte das Gift in Lokis Angesicht, wobei er sich so stark wand, daß die ganze Erde zitterte. Das wird nun Erdbeben genannt.

Die Edda (Codex Regius), 1851 durch Karl Simrock übersetzt.
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